Beitrag aktualisiert am 12.12.2021

Die Waffe Kind.

Spoileralarm: In diesem Beitrag wird es weniger beraterisch-wissenschaftlich-analytisch. Diesmal keine Literaturliste. Stattdessen einfach mal eine weihnachtliche Portion (selbst-)reflektorischer Ironie und Sarkasmus. Irgendwie ist mir danach, denn das alljährliche Bullshit-Bingo der Entfremder *innen geht langsam wieder los.

Ich plaudere einfach mal aus dem Nähkästchen, wie ich die Weihnachtszeit in den Erzählungen der entfremdeten Eltern (und aus eigener Erfahrung als Stiefmutter eines entfremdeten Kindes) wahrnehme.


Denn Weihnachten steht ja vor der Tür. Das Fest der Liebe und ihrer Kehrseite, des Hasses. Wer sich liebt, liebt sich an Weihnachten umso mehr. Wer eher der Kehseite der Liebe huldigt, dem Hass nämlich – der oder die verspürt den Hass an Weihnachten umso intensiver.
Liebe und Hass sind keine Gegensätze. Sie sind entgegengesetzte Gefühle, beide Teil eines großen Ganzes. Je größer die Liebe einst war, umso mehr Raum für Hass kann im Nachhinein – z.B. nach einer unverarbeiteten Trennung –
entstehen. Die Weihnachtszeit erlebe ich als eine willkommene Gelegenheit für die Entfremder*innen, die Waffe Kind gegen den/die verhasste*n Ex mit doppelter Wucht und doppelter Hoffnung auf eine niederschmetternde Wirkung einzusetzen.

Weihnachtszeit ist Rachezeit.

Es wird insbesondere zur Weihnachtszeit von vielen getrennten Elternteilen nach jeder Tannennadel, pardon, jedem Strohhalm gegriffen, um dem/der Ex-Partner*in das Leben zur Hölle zu machen. Wann, wenn nicht an Weihnachten, logisch betrachtet.

Wenn schon einer selbst in der Hölle seiner/ihren eigenen unverarbeiteten Gefühle sitzt, umgeben von den zähnefletschenden Dämonen der eigenen Vergangenheit (vereinfacht jedoch bildhaft ausgedrückt) – will er/sie wenigstens Gesellschaft haben. Jemand anderem soll es genauso schlecht oder schlechter gehen, um die eigene Hilf- und Machlosigkeit zu kompensieren, denn so ein bisschen Macht über das Kind und somit über die/den Ex, kann zu einem kleinen Rausch werden. Vorsicht Suchtgefahr!!! Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihr Kind (in der Zukunft).

Es weihnachtet so sehr und da bietet die/der Ex eine gute Projektionsfläche für die Gefühle und einen sicheren Handlungsraum. Schließlich kennt man ihn/sie wie die eigene Westentasche, weiß, wo ihre/seine Schwachstellen sind und wo sie/er am verwundbarsten ist.
Und einfach soll es sein – und da bietet sich die Waffe Kind gut an, da es nun wirklich leicht zu händeln ist.
Dem entfremdeten Elternteil wird das Kind entzogen. Ein weiterer möglicher schöner Moment mit dem Elternteil bleibt dem Kind versagt.

Im Austausch mit entfremdeten Eltern erlebe ich es immer wieder, dass die Gerichtsbeschlüsse, die in Deutschland von Rechts wegen her eine Verbindlichkeit darstellen – oder eher: darstellen sollten! – von vielen entfremdenden Elternteilen eher als eine unverbindliche Vereinbarung behandelt werden, die nur dann gilt, wenn ihre eigene Stimmung gerade gönnerhaft ist. Zum Beispiel dann, wenn eine neue Liebe am Horizpont erscheint. Dann ist die Welt für einige Zeit rosarot und, ja, soll die/der Versager*in die Kinder haben, was solls, gönne ich ihm/ihr, zumal, dass ich jetzt Zeit mit meinem*r Neue*n ganz allein verbringen will.
Verabschiedet sich die Liebe, oder kehrt der Alltag ein, kehren auch die alten Dämonen zurück und das in solchen Momenten zum Partnerersatz mutierte Kind wird wieder in einen Platzhalter für die eigene zermürbte Identität umfunktioniert. Zu einem “Ich_2.0”, das einen im Kampf gegen die/den Ex unterstützt, ohne Rücksicht auf Verluste und mögliche (wahrscheinliche!) Spätfolgen für das Kind. Häufig ohne jegliche Konsequenzen für die/den Entfremder*in und hin und wieder auch mit einem stillschweigenden Segen des zuständigen Jugendamtes oder sogar auch des Verfahrensbeistandes (m/w/d).

Lasst uns bös’ und garstig sein.

Weihnachten wird deshalb – dem Austausch mit betroffenen Elternteilen und der eigenen Erfahrung nach zu urteilen – häufig mit besonderer Sorgfalt und Planung torpediert.
Die Weihnachtszeit scheint die Zeit zu sein, in der die fragwürdigen schauspielerischen Qualitäten der Entfremder*innen, gepaart mit steigendem Geltungsdrang (steigt in der Regel umgekehrt proportional zur zeitlichen Entfernung zum Weihnachtsfest) hoch im Kurs stehen.

Das Ergebnis? Das Kind darf nicht regelmäßig Zeit mit dem anderen Elternteil verbringen. Es darf keine Regelmäßigkeit aufbauen, keine Verlässlichkeit der Kontakte erleben und ja keine wichtigen Ereignisse mit ihm teilen. Wie Weihnachten eben. Die Kontinuität, auf die so viele (angeblich fachkundige) Verfahrensbeistände, Kinderpsychologen:innen, Jugendamtmitarbeiter:innen pochen (ok, teilweise zurecht, teilweise jedoch nicht, falls jemand Zeit und Lust hat, hier ein Hörtipp aus meinem Podcast: “Kontinuität = Kindeswohl?“), scheint zwar wichtig zu sein, aber wenn der entfremdende Elternteil es nicht will, dann eben doch nicht so wichtig.

Und was solle die ganze Aufregung überhaupt, das Kind müsse schließlich zur Ruhe kommen.

Vorweihnachtliches Entfremdungs-Bullshit-Bingo

Das Kind darf Weihnachten nicht zum Umgangs-Elternteil. Warum? Was für eine Frage! Ganz einfach. Wirklich ganz einfach. Und wenn es jemand nicht versteht, dann ist er/sie selber schuld. Aber er/sie ist ohnehin an allem schuld, also, was ist denn überhaupt das Problem.
Ich wollte es verstehen. Deshalb habe ich mal eine kleine Umfrage bei Twitter aufgezogen. In wenigen Stunden erreichte ich damit knapp 2300 Menschen und erzielte knapp 200 Interaktionen (Stand editiert: 03.01.2021). Ich beobachte den Thread weiter, bis dahin eine kleine Auswertung.
Die Frage, die ich gestellt habe, war auch sehr, sehr einfach. Es ging darum, einen Satz zu vervollständigen:

“Du kriegst das Kind Weihnachten nicht, weil…”

Der Anfang des Satzes wurde von mir bewusst umgangssprachlich – Alltag eben! – formuliert. Antwortoptionen durften frei in den Kommentaren gepostet werden. Wer mag, kann sich den Thread in meinem Twitter-Account durchlesen und gern etwas dazu schreiben. Lesen geht übrigens auch ohne Twitter-Account. Hier geht es zum Thread: MrsPelz.

Es meldeten sich bisher – oh, Weihnachtswunder! – keine Entfremder*innen selbst, sondern ausschließlich betroffene Eltern, Großeltern, Stiefeltern. Die von ihnen angegebenen “Begründungen” der Entfremder*innen, die sie bereits erlebt haben,
umfassen das nahezu gesamte Spektrum an Ausreden. Da waren gesundheitliche, organisatorische, juristische, psychologische, logistische Aspekte und noch viel mehr. Inhaltlich war es alles Mögliche, mit dem seitens der Entfremder*innen begründet wurde, warum das Kind ausgerechnet am Weihnachtsfest beim betreuenden Elternteil bleiben werde, solle, müsse.

Doch was die Form anbelangt, fiel eines sofort deutlich auf. Unabhängig vom Inhalt der Antworten, war die Form in etwa immer gleich respektive sehr ähnlich. In der Vervollständigung des Satzes tauchte nämlich das Kind immer erneut auf.
Du kriegst das Kind nicht, weil das Kind.… Weil das Kind dies
oder jenes. Das Kind, das Kind, das Kind. Oder: Du kriegst das Kind nicht, weil wir… – ein wir, mit dem allerdings der getrennte leibliche Elternteil nicht gemeint war/ist. Ein wir, in dem nur der betreuende Elternteil, das Kind und ggf. die (neue) Familie Platz haben.

Stellt man die Inhalte der Form gegenüber, wird schnell recht klar, dass es sich hierbei nicht um das Kind selbst, sondern um das Verschleiern der eigenen Motivation der Entfremder*innen handelt: tiefgehende Befriedigung daran, dem/der Ex eins so richtig
auszuwischen, schwupps, ein emotionaler Schlag direkt in die Visage und das vor Weihnachten – Volltreffer!

Hier wird also das Kind vorgeschoben, um die Rachegefühle zu verbergen, und weiterhin dem eigenen Narrativ zu folgen, der einem doch so schöne Inhalte zuflüstert, von einer heilen Welt und einer neuen Familie, in der alles, alles, alles, wirklich alles gut ist. Ja, ok, die/der Störenfried da, die/der sich als Mutter/Vater bezeichnet, na ja, aber das Kind will sie/ihn zum Glück doch gar nicht sehen. Einfach so. Von selbst. Man habe ja das Kind sogar extra gefragt. Man tue doch schon alles. Aber das Kind wolle eben von alleine nicht.
Und was

soll das Ganze denn überhaupt. Ist doch schön, wenn das Kind sich in der neuen Familie derart wohl fühle. Alles, was schön ist, passe doch perfekt zu Weihnachten...

Kontakt:
Bei Gesprächsbedarf oder Fragen erreichen Sie mich unverbindlich und deutschlandweit telefonisch, per WhatsApp oder e-Mail: Kontaktinfos.

PS. OK, falls jemand doch was lesen will: Literaturliste hier.
Und hier meine Weihnachtswünsche für Entfremder*innen.

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Hallo mein Name ist Anna Pelz

Ich biete fachliche Hilfestellung bei induzierter Eltern-Kind-Entfremdung für betroffene Eltern, Familienmitglieder und Fachkräfte im Bereich der Familienberatung und des Familienrechts. Deutschlandweit (auch telefonisch und online).

  1. Unknown 3. Januar 2021 at 23:49 - Reply

    "Und Weihnachten kriegst du das Kind erst recht nicht!"
    Fast eine buchstäbliche Übersetzung einer Mail von die belgische Mutter meine 2 Kinder… halb Dezember 2019, und die Jahren vorher.

  2. Anna Pelz - systemische Therapeutin und PAS-Coach 27. Januar 2021 at 11:29 - Reply

    Diesen Satz habe ich mir als Titel nur ausgedacht -stellvertretend für verborgenen Rachegedanken, die normalerweile nicht ausgesprochen, dafür aber umso intensiver gedacht und als Grundlage und "Kraftquelle" für den vorweihnachtlichen Entfremdungskrieg dienen.
    Umso ernüchternder war es für mich nun in Ihrem Kommentar zu lesen, dass jemand diesen Gedanken tatsächlich fast 1:1 unverhohlen formuliert, aussppricht, mehr noch: ihn schriftlich übermittelt. Normalerweise wird diese Art von "Ehrlichkeit" eher verbal und ohne Zeugen vermittelt (mit Ausnahme des Kindes, aber das hält im Zweifelsfall ohnehin immer zu seinen Penigern also darf es dabei sein). Schriftliche Bekenntnisse dieser Art, die theoretisch als Beweismittel dienen können (in dem Fall für offenbar mangelnde respektive vollständig abhanden gekommene Bindungstoleranz), werden normalerweise gemieden.