Auf die einzelnen Wörter und ihre Dynamik untereinander achten.

Liebe Fachkräfte, achten Sie auf Details in den Formulierungen, wenn Sie mit Eltern sprechen. Die (oft unbewusste) Wortwahl kann die Wahrheit über die Absichten einer Elternperson offenbaren, die sich ansonsten perfekt darstellt – wie in dem auf dem Bild aufgeführten Beispiel. Den Satz, den Sie in der roten Sprechblase sehen, lese in den Beratungsprotokollen der Familienberatungsstellen oder in Gutachten regelmäßig. Oft sind es sogar die Kinder selbst, die in den Anhörungen inbrünstig betonen, dass die Mamis/Papis sie nicht manipulieren würden, stattdessen würden sie sich vollständig raushalten und die Kinder ermutigen, dass sie es selbst entscheiden müssen.

“Müssen” vs. “können/dürfen” – ein deutlicher Unterschied in der Stimmung.

Alles wunderbar, heißt es dann im Befund oder in der Empfehlung. Die Mutter/der Vater lässt dem Kind die Entscheidungsfreiheit, fördert seine Selbstwirksamkeit, respektiert den Willen des Kindes. Und das Kind darf allein entscheiden.

Das Kind darf allein entscheiden – Wahrheit oder Mythos?

Darf das Kind hier wirklich allein entscheiden?

Nein. Sie können davon ausgehen, dass die Wortwahl der Elternperson ähnlich oder gar identisch ist, wenn sie direkt mit dem Kind spricht. Das Kind MUSS also entscheiden. Und zwar ganz allein, wohlwissend, dass Mama/Papa den anderen Elternteil nicht ausstehen kann. Es muss entscheiden, OB es den anderen Elternteil sehen WILL.

Steigerung des Unwohlseins durch die Wortwahl.

Schauen wir uns die mit Gelb markierten Wörter an. Allein das Verb “müssen” kann Druck und Unwohlsein erzeugen – kennt jeder von uns aus dem Alltag. Ich muss jetzt zur Arbeit: Ich muss zur Werkstatt. Ich muss die Kalkulation bis morgen fertigstellen. Ich muss das Bad putzen. Ich muss ins Krankenhaus.

Dann das “ob”. Ein Bindewort, das, ähnlich einer geschlossenen Frage, nur zwei Möglichkeiten zulässt: ja oder nein. Angesichts des Drucks, der bereits durch das “müssen” entstanden ist, verleitet das “ob” dazu, sich dagegen zu entscheiden, um weiteren Druck zu vermeiden. Das “ob” vermittelt auch Unsicherheit, weil es ein entweder-oder impliziert, einen Verlust, der mit dieser Entscheidung einhergeht.
Und dann noch das “wollen”. An sich ist nichts dagegen einzuwenden, doch in Verbindung mit den zwei vorausgegangenen Wörtern betont es lediglich den Willen der Elternperson.

Bindungs(in)toleranz an der Wortwahl erkennen und überprüfen.

Hören oder lesen Sie eine solche Formulierung, können Sie durchaus die Arbeitshypothese erstellen, dass diese Elternperson eine geringe oder keine Bindungstoleranz besitzt und die Ablehnung des anderen Elternteils durch das Kind damit zusammenhängen kann.

Die Richtigkeit der Hypothese können es auf eine einfache Art testen: Schauen wir nun die mögliche Intervention einer Fachkraft an – den in Grau gerahmten Text. Die hypothetische Fachkraft lädt die Elternperson dazu ein, die Wortwahl zu überprüfen und nachzuempfinden, was die geänderte Wortwahl mit der eigenen Wahrnehmung (von dem Satz und von sich selbst) macht und wie es sich dieses Gefühl auf das Kind auswirken könnte.

Ein “darf/kann” anstelle des “muss”. Und schon haben wir eine positiv-konstruktive Grundstimmung.

Die Wortwahl beeinflusst die Stimmung.

Denn:

Du darfst = du hast meine Erlaubnis.
Du kannst = du bist dazu in der Lage, ich traue es dir zu.
Gern = ich gönne es dir.
Wann = Betonung der Erlaubnis, da es vermittelt, dass der Besuch des anderen Elternteils feststeht und es eben nur eine Frage der Zeit ist.
Möchte = eine Konjunktivform des Verbs “mögen”.

Gibt die Elternperson an, keinen Unterschied zu erkennen, meint, es wäre doch dasselbe, sieht keinen Sinn, verweigert die Mitarbeit oder wird gar aggressiv, erhalten Sie dadurch die Bestätigung der Hypothese, dass diese Elternperson bindungsintolerant ist. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass die Elternperson mit dem Kind öfter so kommuniziert und seine Selbstwirksamkeit durch die Doppelbotschaften gefährdet/unterbindet.
Sie können zusätzlich auf die Körpersprache und den Tonfall der Person achten, um sicher zu gehen.

Spricht ein Elternteil allerdings bereits von Beginn an auf die in der grauen Sprechblase aufgeführte (oder ähnliche) Art, können Sie annehmen, dass es sich um eine nicht nur bindungstolerante, sondern bindungsfördernde Person handelt.

Schauen Sie auf die Einzelheiten und die Zusammenhänge untereinander.
Es lohnt sich.
Und spart viel Leid.

Kein Spickzettel für Entfremder.

An die Entfremder*innen: falls Sie das lesen und sich möglicherweise über die Vorlage freuen, wie Sie Ihre Selbstdarstellung optimieren können: Nein, so einfach funktioniert es nicht. Sie werden sich durch andere Details verraten.

Hallo mein Name ist Anna Pelz

Ich biete fachliche Hilfestellung bei induzierter Eltern-Kind-Entfremdung für betroffene Eltern, Familienmitglieder und Fachkräfte im Bereich der Familienberatung und des Familienrechts. Deutschlandweit (auch telefonisch und online).