Narzisstische Beziehungen können für Erwachsene äußerst belastend sein – ca. 80% der Eltern, die ich berate, berichten mir darüber. Die meisten dieser Eltern sind bereits von dem oder der Ex getrennt. Viele aber leben noch in ihren narzisstisch geprägten Beziehungen, die von psychischer Gewalt geprägt sind. Die Fragen, die mir am häufigsten von beiden Gruppen gestellt werden, lauten entweder: Soll ich mich trennen oder wegen der Kinder zusammen bleiben? Oder: War die Trennung denn richtig oder hätte ich wegen der Kinder mit dem/der Ex zusammen bleiben sollen?

Für die Kinder zusammenbleiben?

Die Fragen sind berechtigt. Narzissmus kann sich auf Kinder schwerwiegender auswirken als auf Erwachsene, weil Kinder noch in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit und inmitten ihrer Identitätsfindung sind. Sie sind besonders anfällig für negative Einflüsse, einschließlich emotionaler Vernachlässigung oder Missbrauchs, die durch narzisstisches Verhalten verursacht werden können. Diese Erfahrungen können langfristige Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl, die Beziehungsfähigkeit und das emotionale Wohlbefinden eines Kindes haben. Im Gegensatz dazu haben erwachsene Personen in der Regel bereits eine gefestigte Persönlichkeit und sind besser in der Lage, mit narzisstischem Verhalten umzugehen, sich davon zu distanzieren oder es zu verarbeiten.

Wenn Eltern also in einer narzisstisch geprägten Beziehung stecken, stehen sie deshalb oft vor der schwierigen Entscheidung, ob sie zusammenbleiben sollen, um die Familie intakt zu halten oder sich zu trennen, um sich selbst und ihre Kinder zu schützen. In diesem Artikel finden Sie einen kompakten Überblick, welche Auswirkungen beide Optionen auf Kinder haben können.

Zusammenbleiben – Vorteile:

Stabilität

Für Kinder kann es ein Gefühl der Stabilität und Sicherheit bieten, wenn ihre Eltern zusammenbleiben. Sie haben weiterhin beide Elternteile in ihrem Leben und können sich auf eine gewisse Kontinuität der familiären Verhältnisse verlassen.

Vermeidung von Konflikten

Eine Trennung kann zu erhöhten Konflikten zwischen den Eltern führen, was für Kinder traumatisch sein kann. Das Zusammenbleiben kann dazu beitragen, zumindest Eskalationen zu vermeiden und eine Umgebung zu schaffen, die durch klare Absprachen funktioniert.

Zusammenbleiben – Nachteile, oder: der Preis der Vorteile 

Vorbild für dysfunktionale Beziehungsmuster

Kinder lernen viel durch Beobachtung. Wenn sie eine narzisstische Dynamiken zwischen ihren Eltern erleben, könnten sie diese Verhaltensweisen als normal oder akzeptabel ansehen, sie mit dem Begriff der Liebe verwechseln und in ihren eigenen Beziehungen wiederholen.

Emotionale Belastung

Kinder können stark unter dem emotionalen Stress leiden, der mit einer narzisstischen Beziehung einhergeht. Sie könnten ein erhöhtes Risiko für Angstzustände, Depressionen, Essstörungen, Zwangsstörungen, Selbstverletzung und zahlreiche andere psychische und physische Gesundheitsprobleme haben.

Narzisstisch geprägten Beziehung der Eltern ist mit zahlreichen Nachteilen und Gefahren für die Kinder verbunden.

Trennung – Vorteile

Schutz vor emotionaler Misshandlung

Eine Trennung kann Kinder vor weiterem emotionalen Missbrauch oder Vernachlässigung durch einen narzisstischen Elternteil schützen. Sie können in einem Umfeld aufwachsen, das weniger belastend ist und in dem ihre Bedürfnisse besser erfüllt werden.

Das gilt allerdings nur dann, wenn die Kinder nicht in Obhut der narzisstischen Elternperson bleiben, was allerdings – zumindest nach meinen beruflichen Erfahrungswerten – nur in ca. 10% der Trennungsfamilien der Fall ist. Bei etwa 90% der Trennungen aus narzisstischen Partnerschaften bleiben die Kinder bei dem narzisstischen Elternteil.

Vorbild für Abgrenzung und Selbstfürsorge

Indem sich Eltern von einer schädlichen Beziehung lösen, zeigen sie ihren Kindern, wie wichtig Selbstfürsorge und gesunde Grenzen sind. Dies kann für Kinder ein wertvolles Vorbild sein, das sie in ihren eigenen Beziehungen anwenden können. Idealerweise geraten die Kinder als Erwachsene erst gar nicht in eine Partnerschaft dieser Art.

Nachteile – oder: der Rachefeldzug der Narzissten

Kindesentziehung und Eltern-Kind-Entfremdung:

Insbesondere bei einer Trennung aus einer narzisstischen Partnerschaft, ist es nach meinem Kenntnisstand die Regel, dass Kinder deutlich weniger Zeit mit dem Elternteil verbringen, der sich aus der narzisstischen Beziehung gelöst hat, insbesondere dann, wenn kein Wechselmodell praktiziert wird. Ca. 60 % der Eltern kontaktieren mich wegen kompletten Umgangsboykotts/Kontaktunterbindung seitens der narzisstischen Elternperson. 

Der Kontaktverlust kann für Kinder schmerzhaft sein und sie emotional belasten, so, dass sie als Bewältigungsstrategie beginnen, den räumlich getrennten Elternteil zu meiden. Oft wird dieser Elternteil vollständig abzulehnen, was in unserem verhaltensanalytisch recht bescheiden aufgestellten Familienrecht als der “Kindeswille” gilt und damit als Entscheidungsgrundlage für gerichtliche Umgangsaussetzungen und Kontaktverbote genutzt wird.

Anpassungsprobleme:

Kinder könnten Schwierigkeiten haben, sich an die neuen Lebensumstände anzupassen, die mit einer Trennung einhergehen. Oft werden sie nach der Trennung von ihrem vertrauten Umfeld isoliert oder das Umfeld wird vom narzisstischen Elternteil streng reglementiert, was zur Entstehung einer Symbiose mit diesem Elternteiln führen kann. Oder sie müssen in eine neue Schule wechseln, ihr Umfeld ganz verlassen und sich an ein neues Zuhause gewöhnen – insbesondere dann, wenn der narzisstische Elternteil in Folge der Trennung einen weiten Umzug beschließt. 

Was soll ich als Betroffene*r tun?

Insgesamt ist die Entscheidung, ob “man” in einer narzisstischen Beziehung zusammenbleibt oder sich trennt, individuell und sehr komplex. Es gibt kein Patentrezept. 

Letztendlich sollte natürlich das Wohl der Kinder oberste Priorität haben, und jede Entscheidung sollte darauf ausgerichtet sein, ihr langfristiges Wohlergehen zu gewährleisten. Eine Trennung sollte nie aus einem Impuls heraus erfolgen, nicht nach einem Streit oder Eskalation. Hier ist erfahrungsgemäß die Gefahr einer anschließenden Kindesentziehung und induzierten Eltern-Kind-Entfremdung am größten, die dann quasi als Racheakt verübt werden.

Die Entscheidung zur Trennung sollte eher nach einer sorgfältigen Überlegung und in und aus einer gemäßigten Stimmung heraus getroffen und umgesetzt werden.

Vereinbarungen über die Kontakte mit den Kindern sollten frühzeitig getroffen und schriftlich festgehalten werden. Die Übergabe der Kinder ist am besten von Beginn an ohne direkten Kontakt der Eltern zu gestalten – über die Schule oder Kita.

Vorsorglich sollte darin festgehalten werden, dass der Wechsel auch dann stattfindet, wenn die Kinder beginnen, Vermeidungsstrategien zu entwickeln, also zum anderen Elternteil ohne einen plausiblen Grund nicht zu “wollen”.

Aber das ist eine andere Geschichte und das Material für einen neuen Beitrag. 

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Hallo mein Name ist Anna Pelz

Ich biete fachliche Hilfestellung bei induzierter Eltern-Kind-Entfremdung für betroffene Eltern, Familienmitglieder und Fachkräfte im Bereich der Familienberatung und des Familienrechts. Deutschlandweit (auch telefonisch und online).